Round the Hangin‘ Tree: RIDE LONESOME (USA 1959, R: Budd Boetticher)

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Es war mal wieder an der Zeit für einen Western. So habe ich mir denn auch gestern weitgehend per Zufallsauswahl mit RIDE LONESOME (USA 1959) meinen ersten Budd Boetticher zu Gemüte geführt. Der Film gilt als eine der besten Kollaboratinen zwischen dem B-Western-Regisseur und Hauptdarsteller Randolph Scott, mit dem sich meine Wege bisher ebensowenig gekreuzt hatten. Über Boetticher las ich unlängst Ivo Ritzers Text „Only The Lonely“ im Band Kino des Minimalismus, der dessen Filme als (surprise) minimalistische Western klassifizierte. Leider erinnere ich mich nur noch dunkel an den Text, ist schon ein paar Monate her und eigentlich war ich sowieso mit etwas ganz anderem beschäftigt, wie das nun eimmal so geht. Dennoch habe ich mir Ride Lonesome vor allem unter diesem Blickwinkel angeschaut. Tatsächlich ist es vor allem die Reduktion, die dem Film seinen Reiz gibt – nicht nur, wenn man gerade Tage und Nächte damit verbracht hat, sich mit Leones opulenten Inszenierungen auseinanderzusetzen.
 
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Ein Mann (Scotts Bountyhunter Brigade) greift einen Gangster (James Best) auf und will ihn hängen lassen, ein anderer (Pernell Roberts als Sam Boone) will ihm die menschliche Beute abluchsen. Gemeinsam mit einer selbstredend wunderschönen Frau, die trotz aller anfänglichen Proteste für die Wildnis nicht gemacht ist, reiten sie gen Stadt, die sie natürlich nie erreichen, zumindest nicht vor dem Abspann. Der Film spielt an Nicht-Orten: Einsamen Häusern, die noch bewohnt und doch bald verlassen sind, und den Ruinen der gescheiterten Koexistenz des Menschen mit der kargen Wildnis. Das unwirtliche Brachland, das ebenso beige-braun ist wie die Pferde und die Kleidung der Figuren, bestimmt das Erscheinungsbild des Films vollkommen. Ride Lonesome ist ein prototypisches Western-Roadmovie, seine Protagonisten wollen alle irgendwo ankommen und sind doch die ganze Zeit über unterwegs. Daran, dass Monte Hellmann sich für seinen noch minimalistischeren, weit radikaleren „The Shooting“ von diesem Film hat inspirieren lassen, besteht kein Zweifel.

Die Rachegeschichte im Zentrum des Plots wirkt zumindest heute eher standardmäßig, und Randolph Scott ist, fürchte ich, so gar nicht my kind of Westernheld – da wollte die Chemie einfach nicht stimmen, also die mit mir, meine ich. Schwierig war natürlich auch die weibliche Hauptfigur – nicht umsonst zitiert Laura Mulvey Boetticher mit den Worten:

What counts is what the heroine provokes, or rather what she represents. She is the one, or rather the love or fear she inspires in the hero, or else the concern he feels for her, who makes him act the way he does. In herself the woman has not the slightest importance.

Hier ist sie für Brigade ein Echo seiner Vergangenheit, für seinen Rivalen um das Kopfgeld die Verheißung einer besseren Zukunft. Dennoch bekommt auch Karen Steele die ein oder andere pointierte Dialogzeile, die über diesen Umstand beinahe vergessen lässt. Dass sie ihren Prinzipien treu bleibt, am Ende doch ihren eigenen Weg geht und sich nicht selbst zur „Beute“ machen lassen will, entschädigen für einige überholte Klischees.
 
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Besonders interessierten mich aber die beiden Nebenfiguren, die den jungen Gangster Billy John selbst ausliefern wollen, um Amnestie von vergangenen Gesetzesverstößen zu erhalten. Die Dialoge zwischen dem Boone, Farmer in spe, und seinem simplen Gefährten Whit, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie weit man gehen kann, um seine eigene Freiheit zu erlangen und den Traum vom zivilisierten Leben zu verwirklichen, sind charmant und originell geschrieben. Aber auch der kindliche Bandit, der keine Tricks auslässt, um sich aus seiner Misere zu befreien, dabei aber irgendwie immer tapsig und sympathisch wirkt, hat seine Momente. Der Moment am Feuer, in dem er feststellt, was von seiner Auslieferung alles abhängt, ist amüsant und zugleich überraschend berührend: „I guess that kinda gives me a worth, don’t it?“
 
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Wertvoll ist Billy John aber auch für seinen großen Bruder Frank, dem Lee Van Cleef mit allem, was sein Minenspiel bereit hält, so viel an Persönlichkeit zu verleihen sucht, wie es in ein paar wenigen Szenen nur möglich ist. Van Cleefs berufsmäßig fiese Visage kenne ich natürlich dank meines bereits angesprochenen intensiven Leone-Studiums in- und auswendig; umso amüsanter war es, den Herrn in etwas jüngeren Jahren den villain of the piece verkörpern zu sehen. Selbstredend ist Frank ein dreckiger Bastard, der sich an die schlimmsten Verbrechen nicht mal erinnern kann, aber dabei schon auch verdammt lässig.
 
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Seine Sorge um seinen Bruder transportiert Lee Van Cleef in der finalen Konfrontation in jeder Faser seines Körpers, und da kann man schon mal kurz mitfühlen, vor allem, wenn man sich nicht ganz entschieden hat, ob man wirklich für den faden Helden halten soll. Wie unaufgeregt und befriedend sich der Konflikt zwischen Brigade und seinem Konkurrenten auflöst, steht dem Film ebenso gut zu Gesicht wie die letzte Einstellung des brennenden Hang Trees, die diesem bescheidenen, figurenzentrierten Film dann doch eine monumentale Schlussnote verpasst.
 
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