„Kino an ungewöhnlichen Orten“ gibt’s bei der Frankfurter Kinowoche, die gerade nach zweijähriger Pause zum ersten Mal wieder stattfindet. Dass sie stattfindet, das merke ich vor allem an meinem intermittierenden (careful with those big words, my dear!) Status als Stohwitwe, denn das Mannsbild, das gelegentlich bei mir rumhängt, steht dort in Lohn und Brot und hievt die ganze Zeit Alustangen durch die Gegend. Da traf es sich doch gar vorzüglich, dass seine temporären Arbeitgeber mit DANGEROUS LIAISONS (Sephen Frears, 1988) einen Film zeigten, den ich schon viermal gesehen habe. Den musste ich einfach sehen! Dass ich über Choderlos de Laclos‘ Briefroman, der dem Film zugrunde liegt, eine Hälfte meiner Bachelorarbeit verfasst habe, tat sicher sein Übriges dazu bei (auch wenn es nicht die bessere Hälfte war).
Bezahlen musste ich zwar, doch meine passive Involviertheit in die ganze Veranstaltung brachte mir dafür einen Logenplatz direkt neben dem riesengroßen, emsig ratternden Projektor.
Diesem Monstrum da. Es war mir eine Ehre.
Insgesamt gibt es wohl ungewöhnlichere Orte, aber das Stadtschloss, das scheinbar auch Thurn-und-Taxis-Palais heißt, hat durchaus seine Portion Atmosphäre auf mich abgegeben, und da ich den Film jetzt schießlich schon zum fünten Mal sah, konnte ich mich ganz auf das Ambiente konzentrieren und, wie man sieht, wie wildgeworden um mich knipsen. Das Gebäude ist nach den Plänen des Architekten des Original-Stadtschlosses rekonstruiert worden, höre ich da – wir sitzen also in einem ausgewachsenen Fake, oder zumindest in seinem Innenhof. Noch dazu scheint die Baufirma laut Insider-Informationen auch für die zwei direkt ans Gebäude gepappten, sich erdrückend nach vorne lehnenden Hochhäuser verantwortlich zu sein – die Erlaubnis zur Errichtung jener kackhässlichen Bauten seitens der Stadt habe wohl die Errichtung des Palais vorrausgesetzt. Während auf der Leinwand Valmont und Merteuil einander zu zerfleischen beginnen, geben jene Hochhäuser einen herrlich kontrapunktischen Hintergrund für den Rokoko-Schick des Palais‘ ab, machen bisweilen aber auch ein bisschen befangen.
Falsche Opulenz, dystopische Dekadenz: Wo könnte ein Stoff wie „Liaisons Dangereuses“ besser über eine Leinwand flimmern als hier, umsäumt von diesen zwei glitzernden Glashäusern, Schwanzverlängerungen der westlichen Welt, die so aussehen, als würden sie gleich auf uns niederstürzen, weil sie verdammt schief gebaut sind? Abgesehen davon fallen mir beim fünften Sehen vor allem zwei Dinge auf. 1) John Malcovich ist als Valmont wirklich extrem abstoßend. Nice (auch wenn ich immer noch gern Alan Rickman in der Rolle gesehen hätte). 2) Der Film ist unerhört witzig.
Zum Finale, wenn alles leidet und alles stirbt und Glenn im Close(haha)-Up „War“ ausruft, bin ich aber wieder an meinen weißen Plastikstuhl auf meiner elitären Empore gefesselt, und die letzte Einstellung des Films mit Merteuil vor dem Schminkspiegel wirkt auf der großen Leindwand noch einmal ein paar Meter beeindruckender.
Und keine Stunde später isse auch schon wieder Geschichte. Fleißige Abbauer.