Jeder, der Twilight mochte – ob nun ernsthaft oder „ironisch“ – sollte BEAUTIFUL CREATURES (2013) sehen. Es würde die Welt zu einem viel besseren Ort machen. Und gerade auch allen, die Twilight aus den allzu offensichtlichen Gründen nicht mochten, sei der Film von Regisseur Richard LaGravenese ans Herz gelegt, weil er zeigt, dass die Kombination Fantasy/Romanze längst nicht so brechreizerzeugend sein muss, wie man glauben mag. Autorinnen Margaret Stohl und Kami Garcia, auf deren Romanreihe der Film basiert, haben sich bewusst an Stephenie Meyers Twilight-Saga orientiert, um zu zeigen, wie man es besser machen kann1, und dasselbe gilt für die Verfilmung. Das beginnt bei der Liebesgeschichte unter umgekehrten Geschlechtervorzeichen, die romantischer und schicksalsträchtiger nicht sein könnte und dennoch so viel glaubwürdiger ausfällt als die meisten ihrer Art. Teenager Ethan, der sich nichts mehr wünscht, als aus seinem erzkonservativen Südstaatenkaff auszubrechen, verliebt sich in die mysteriöse Lena, die ein übernatürliches Geheimnis umweht.
So weit, so klassisch – die Umsetzung und Variation dieser zum modernen Standard avancierten Ausgangslage ist es, die den Film interessant macht.
Ethan liest Vonnegut, Lena liest Bukowski, und es ist dessen Gedicht „Lifedance“, das dem Film ins Herz geschrieben ist: some lose all mind and become soul: insane. / some lose all soul and become mind: intellectual. /some lose both and become: accepted. Während Twilight pseudotiefsinnig über „Romeo and Juliet“ sinniert, bringt BEAUTIFUL CREATURES seinem Publikum spielerisch Autoren nahe, die gerade für junge Leser eine echte Erleuchtung sein können, und die Referenzen an die aufrührerischen „forbidden books“ in Ethans Bücherschrank geben dem Ganzen von Beginn an die Atmosphäre eines jungen, wilden Coming-of-Age-Romans. Die geteilte Liebe zur Literatur lässt Lena und Ethan sich einander annähern, wenn auch zögerlich und mit viel genießerischem Sprach-Ping-Pong. Die cleveren, oft an die Schreibe eines Joss Whedon erinnernden Dialoge verleihen der Erzählung ihre Würze, gerade dann, wenn die forschen Teenager mit ihren Ahnen zusammenprallen. „Why don’t you play something for our guest?“, fragt Onkel Macon Ravenwood (Jeremy Irons, klassisch aristokratisch) mit Blick aufs Piano. „Because we’re not in a Jane Austen novel?“, entgegnet Lena trocken.
Die gute Leistung der Schauspieler, gerade was den erfrischenden Humor angeht, trägt zum Gelingen des Films bei. Jeremy Irons, der mit seinen bisherigen Fantasy-Gastspielen (ERAGON und DUNGEOUNS & DRAGONS) ein gelinde gesagt unglückliches Händchen bewies, hat diesmal eine gute Wahl getroffen und passt perfekt als verschrobener Hexenonkel, der aus unerfindlichen Gründen ein großer Google-Fan ist. Sein Streitgespräch mit der ebenso genialen Emma Thompson, die ihre Bandbreite in gleich zwei auf ganz unterschiedliche Weise schreckschraubigen Rollen demonstrieren kann, ist ein wahres Fest.
Vor allem aber überzeugen die beiden jungen Leads, die die Hauptfiguren mit ihren Ecken und Kanten wunderbar ausgestalten. Lena ist alles andere als auf den Kopf gefallen, und es ist gerade sie, die sich sträubt – erst gegen die Avancen Ethans, dann gegen die Pläne ihrer sinistren Familienangehörigen und vor allem gegen das scheinbar unüberwindliche Schicksal, das ihr als Frau den Lebensweg vorgeben will. Gleichzeitig wird aber auch Ethan nicht in die Bella-Rolle gedrängt. Zwischen beiden entwickelt sich eine gleichberechtigte Liebesbeziehung, mit der man ganz ohne klebrigen Zuckerwattenachgeschmack mitfühlen kann.
Klischees vermeidet auch die Fantasy in BEAUTIFUL CREATURES: Die naturnahe Welt der Casters/Hexen, die mit der Fauna, dem Wetter und auch mit der Sprache spielen, hat eine ganz eigene düster-zauberhafte Ästhetik und birgt gerade im Kontrast zur zutiefst christlichen Umgebung einigen Stoff für originelle Allegorien. Besonders schön dabei ist, dass man sich nicht auf plattgelegenen Schwarzweißmalereien ausruht und stattdessen klassische Gut-Böse-Konstrukte geradezu leichtfüßig aus den Angeln hebt.
WordPress mit Fußnoten und Filmkritik mit Büchern – das Ministerium is very amused!
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Das Amüsement des Ministeriums ist mir ein Fest!
Hochachtungsvolle Grüße an den Herrn Minister,
la Spelunkenjenny
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Feste soll man feiern wie sie fallen, liebe Spelunkenjenny. Regierungen ebenso!
Grüße zurück und danke für die Blumen!
Der Minister
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